Entstehung des NLP

Richard Bandler, Psychologie-Student an der Universität von Kalifornien in Santa Cruz, hatte den Job, aus den Video-Aufnahmen des letzten Workshops von Fritz Perls, dem Begründer der Gestalttherapie, ein Transskript anzufertigen, um es als Buch veröffentlichen zu können. Dazu hat er sich komplett in Fritz Perls hineingedacht und -gefühlt, hat ihn kopiert, jede seiner Bewegungen, sogar seinen deutschen Akzent. Wochen-, monatelang lief er ständig mit Kopfhörern durch die Gegend – bis er Fritz Perls „verstanden“ hatte.
Die Idee dazu stammte aus dem „master modelling“, einer damals in den USA vor allem im business-Bereich praktizierten Methode, von Vorbildern zu lernen, indem man diese bis ins i-Tüpfelchen kopiert („modelliert“). So begann seine Ausbildung zum Gestalt-Therapeuten. Später, im Verlauf seines Studiums, regte er – um nicht immer nur Statistik zu pauken – die Bildung eines praktischen Seminars an, das auf eine ähnliche Art die Geheimnisse weiterer Psychotherapeuten ergründen sollte, von denen bekannt war, dass sie ihren Patienten sehr schnell und wirkungsvoll halfen. Wissenschaftlicher Leiter des Seminars – Bandler war ja noch Student – wurde John Grinder, damals Professor für Linguistik an der Universität von Santa Cruz.

Eine der ersten der „modellierten“ Therapeuten war Virginia Satir, eine Pionierin der Familientherapie, die sehr viel mit schizophrenen Kindern arbeitete. Zum Entsetzen der Eltern („Wieso wir? Nicht wir sind verrückt, sondern unser Kind!“) bestand sie darauf, dass zu den therapeutischen Sitzungen jeweils die gesamte Familie anwesend war, die sie in ihre Interventionen mit einbezog. Dadurch gelang es ihr oft, ein neues Gleichgewicht im Familiensystem herzustellen, und das als „krank“ definierte Kind konnte sein psychotisches Verhalten aufgeben.

Sie handelte dabei meist intuitiv, ohne hinterher sagen zu können, welchen Regeln sie folgte – „you must have it in your guts!“ (im Bauch) pflegte sie zu sagen, wenn man sie fragte, woher sie wusste, dass gerade diese Intervention zum Erfolg führen würde. „Aus dem Bauch heraus“ zu handeln heißt aber nicht, keinen Regeln zu folgen. In unserer Muttersprache z.B., können wir einen Satz beginnen, ohne vorher zu wissen, wie er endet. Weil wir (jedenfalls die meisten von uns) ein feines Gespür dafür haben, wann die Syntax eines Satzes stimmt, können wir reden, ohne ständig an die Grammatik denken zu müssen. So können wir uns auf die Inhalte konzentrieren, ohne von Formalien abgelenkt zu werden. Ähnlich können Therapeuten ihrer Intuition für die Richtigkeit therapeutischer Interventionen folgen, ohne ständig bewusst wissen zu müssen, was genau zu tun ist und warum, und können so mit ihrer ganzen Aufmerksamkeit beim Klienten bleiben. Intuitives Verhalten ist also unbewusst regelgeleitet. Wenn ein Therapeut mit seinen Interventionen immer wieder seinen Klienten wirkungsvoll hilft, dann müssen seine „unbewussten Regeln“ so gut sein, dass es sich lohnt, sie herauszufinden – das war die Idee von Bandler und Grinder. Durch das Studium dieser Therapeuten entwickelten sie etwas, das ich gerne eine Grammatik für’s Unbewusste nenne, eine Grammatik die diese Therapeuten so meisterhaft beherrschten, und beschrieben sie genauer als die Meister es selbst vermocht hätten.

Der dritte Therapeut, den sie modellierten, war Milton Erickson, ein Arzt und Psychiater, der die Hypnose aus ihrer traditionell direktiven und autoritären Form (one up, one down) befreite und zu ihrer heutigen Form weiterentwickelte. Nach meiner Überzeugung, vor allem für die therapeutische Arbeit in meiner Praxis, ist die lösungsorientierte Hypnotherapie nach Milton Erickson die wichtigste der drei „Wurzeln des NLP“. (Siehe auch: Hypnose)

Gregory Bateson, einer der bedeutendsten Anthropologen des letzten Jahrhunderts, wurde bekannt unter anderem durch die Entwicklung der double-bind-Hypothese zur Entstehung von Schizophrenie. Bateson war damals Direktor der Universität von Santa Cruz in Kalifornien, und vermittelte Bandler und Grinder den Kontakt zu Erickson, mit dem er eng befreundet war. Als sie ihm ihre Ergebnisse vorlegten, war er bestürzt – den wesentlichen Punkt an Erickson´s Arbeit hatten sie seiner Ansicht nach nicht erfasst: Das wichtigste an der therapeutischen Arbeit dieser drei erfolgreichen Therapeuten, und das gemeinsame bei aller Unterschiedlichkeit ihrer Methode, war der große Respekt gegenüber der persönlichen Integrität ihrer Patienten, die tiefe Liebe, die sie zu jedem einzelnen fühlten. Sie glaubten fest daran, dass alle Menschen gut sind, und alle Kompetenzen bereits in sich tragen, um sich so verändern zu können, wie sie es sich wünschen, und wie es gut und ökologisch für sie ist. Nur auf dieser menschlichen Basis sind tiefgreifende Veränderungen überhaupt möglich. Dieser Aspekt der Liebe und des Respekts kommt in den Beschreibungen des NLP leider oft etwas zu kurz. Die Schreihälse des NLP lassen ihn gleich ganz weg.

Bandler und Grinder beschrieben die Gesetzmäßigkeiten intuitiven Handelns, und sie beschrieben sie sinnesspezifisch so konkret, dass jeder sie schrittweise erlernen kann – eben wie eine Grammatik. Wenn man eine Sprache halbwegs fließend spricht, dann kann (und sollte) man die Grammatik wieder vergessen, da sie beim Sprechen eher stört.
Das erste, was sie dabei entdeckten und beschrieben, war, dass internale Prozesse an der Physiologie sichtbar sind. Die neurophysiologischen Verarbeitungsprozesse, die innerlich ablaufen, sind von außen erkennbar – und diese Information ist für die Kommunikation nutzbar zu machen. Es handelt sich dabei keineswegs um Gedankenlesen, im Gegenteil: Je genauer man sein Gegenüber beobachtet, je genauer man kleinste Botschaften wahrnimmt, desto weniger neigt man zum spekulieren, interpretieren, bewerten – alles Denkvorgänge, die mehr über einen selbst aussagen als über den Kommunikationspartner, in diesem Fall über den Klienten.

Die vierte Therapieschule, die Bandler studieren wollte, war die Transaktionsanalyse. Ihr Begründer, der Arzt und Psychiater Eric Berne, war 1970 verstorben. Die TA basiert auf der Tiefenpsychologie, ist aber im Unterschied zu dieser ein humanistisches Verfahren: In der TA geht man wie im NLP davon aus, dass alle Menschen o.k. sind, dass also auch die, die unter psychischen Problemen und Neurosen leiden, geistig gesund sind; niemand wird pathologisiert, die Therapeuten stehen auf einer Stufe mit ihren Klienten.
Die hemdsärmelige Art Bandlers, sein notorisches Bedürfnis, festgemauerte Grenzen respektlos zu überschreiten, passte den Transaktionsanalytikern überhaupt nicht: „Ich will mal eben rausfinden, wie die Wirkprinzipien eurer Therapie sind. Macht mal vor wie´s geht! Ich sag euch dann, was dahintersteckt.“ So kann man natürlich nicht mit Vertretern einer etablierten Therapieschule sprechen, die sich selber sehr ernst nimmt und bereits über ein schlüssiges theoretisches Konzept verfügt: Sie setzten Bandler kurzerhand vor die Tür.
Deswegen fehlt dem NLP bis heute ein stringentes diagnostisches Konzept, und jeder NLP-Therapeut ist gut beraten, zusätzlich zum NLP ein diagnostisches Verfahren zu lernen wie z.B. die Transaktionsanalyse.