Milton H. Erickson

Er war das zweite von 9 Kindern; er entstammt einer sehr großen Familie, auf Familienfeiern waren manchmal über 100 Gäste anwesend. Später hatte er dann selbst 3 Kinder aus erster Ehe, und 5 aus der zweiten. Als Kind litt er unter Legasthenie, die er überwinden konnte indem er sich immer wieder Buchstaben und Wörter vor seinem inneren Auge vorstellte.

Mit 18 Jahren, kurz nach dem Abschluss der High School, erkrankte er an Kinderlähmung; 3 Tage lag er im Koma. Als er erwachte, war er vollständig gelähmt; der Arzt der ihn untersuchte, sagte zu seiner Mutter: „Der Junge wird den morgigen Tag nicht erleben.“ Das konnte er hören − und stellte sich die ganze Nacht vor, wie es aussieht, wenn die Sonne aufgeht. Er sah sie tatsächlich aufgehen, noch mehr als 60 Jahre lang − und wusste seitdem, welche Kraft die Imagination birgt: Noch gelähmt, stellte er sich etliche Stunden pro Tag vor, wochenlang, einen Apfel vom Baum zu pflücken − seine Eltern waren Obstfarmer − bis er irgendwann seine Arme wieder bewegen konnte. Ein Jahr lang ging er an Krücken; seine Körperkraft gewann er zurück durch einen langen Kanu-Trip auf dem Mississippi − von dem ihm die Ärzte dringend abgeraten hatten. Seine Krankheit brachte ihn dazu, Trance-Zustände zu erkunden − er übte unentwegt, sein Leben lang: Immer wieder erlebte er Rückfälle von Polio, oft mit starken Schmerzen verbunden. Es war seine persönliche Krankheits- und Leidensgeschichte, die ihn Trance und Hypnose so gründlich erforschen ließ. Er blieb immer irdisch und assoziiert, er spürte genau was in seinem Körper vorging, ohne das Gefühl abzuspalten, zu betäuben oder zu bekämpfen; stattdessen hat er es verbal immer genauestens beschrieben. Zwei seiner Schüler entwickelten später daraus das „Milton-Modell“ der Sprache, das heute als die Basis der Hypnose gilt; eine Art des Sprechens, die jeder Hypnotiseur verinnerlicht haben muss.

1928 schloss er sein Studium ab, mit dem M.A. in Psychologie und M.D. in Medizin. Als Arzt an der Klinik erforschte er weiterhin die Möglichkeiten der Hypnose, und befreite sie aus ihrer standardisierten, traditionell direktiven und autoritären Form (one up, one down), und entwickelte individualisierbare Methoden. „Ich erfinde die Hypnose für jeden Patienten neu“, sagte er einmal zu seinen Schülern. 1934-1948 hatte er eine ordentliche Professur für Psychiatrie inne, 1948-1974 betrieb er eine private Praxis, zuletzt in Phoenix, Arizona.

1947 hatte er einen Fahrradunfall; durch seine allergische Reaktion auf den Impfstoff gegen Tetanus erlitt er einen anaphylaktischen Schock, den er nur knapp überlebte. Danach entwickelte er zahlreiche Allergien, gegen Pollen, Hausstaub und Lebensmittel.

1953 erkrankte er an einem Post-Polio-Syndrom, gesundete halbwegs, und blieb weiterhin sehr aktiv: Er veröffentlichte viel, von 1958-1968 gab er eine Zeitschrift heraus, das „American Journal of Clinical Hypnosis“. Er unternahm viele Vortragsreisen. Er spielte eine bedeutende Rolle in der Gruppe von Palo Alto, aus der viele bekannte Therapeuten hervorgingen wie z.B. Jay Haley, John Weakland, Paul Watzlawick, Jeff Zeig, Ernest Rossi und Stephen Gilligan, die alle seine Schüler waren.

Mit Gregory Bateson, einem ebensolchen Mentor für die eben genannten, war er gut befreundet.

Seit 1969 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand massiv, seit 1976 saß er im Rollstuhl.

Milton Erickson hat nicht nur die heutige Form der Hypnose im Wesentlichen allein entwickelt, er hatte auch einen bedeutenden Einfluss auf die systemische Familientherapie und die lösungsorientierte Therapie, die einen wesentlichen Beitrag zur Salutogenese liefert.